Verkehrssicherungspflicht bei Eisbildung

Eine Radfahrerin befuhr an einem sonnigen Wintertag eine schneefreie Straße. Wegen einer nicht erkennbaren Eisbildung auf der Straßenmitte zog es ihr plötzlich das Hinterrad weg, so dass sie stürzte und sich nicht unerhebliche Verletzungen zuzog. Hierauf machte sie Schadensersatzansprüche geltend, da die erforderliche Verkehrssicherungspflicht verletzt worden sei.

Das OLG München führte in seinem Beschluss aus, dass keine uneingeschränkte Räum- und Streupflicht bei winterlicher Glätte existiert, ebenso wenig ist es möglich, mit zumutbarem Aufwand jede glättebedingte Unfallgefahr zu vermeiden. Grundvoraussetzung für die Räum- und Streupflicht ist zunächst das Vorliegen allgemeiner Glätte. Innerorts müssen nach der gefestigten Rechtsprechung nur die verkehrswichtigen und gefährlichen Straßen bei Glätte abgestreut werden. Die Rechtsprechung verlangt zweifelsfrei den Nachweis einer allgemeinen Glätte und nicht nur den Nachweis einer einzelnen Glättestelle am Unfallort.

Die Vorinstanz hatte zu Recht eine Streupflicht verneint, da die Unfallstelle keine Gefahrenstelle darstelle, an der Kontroll- und Streumaßnahmen geboten seien.
(OLG München, Beschluss v. 10.10.2012 – 1 U 2853/12)

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Haftung der Gemeinde für Sturz auf einem nicht gestreutem Radweg

Eine Fahrradfahrerin war im Winter früh morgens auf einem zentralen Verkehrsknotenpunkt auf nicht gestreutem Klinkerpflaster des Fahrradweges gestürzt, als sie ihren Sohn zur Schule begleitete. Dabei zog sie sich nicht unerhebliche Verletzungen zu. In der zweiten Nachthältfe hatte sich Glatteis gebildet, da die Temperaturen plötzlich auf Minusgrade abgesunken waren. Die Radfahrerin verlangte von der Gemeinde Schadensersatz und Schmerzensgeld. Die Gemeinde berief sich im Prozess darauf, dass sie entsprechend ihrer Satzung erst ab 7:30 Uhr zum Streuen der Straßen verpflichtet sei. Der Unfall ereignete sich jedoch zwischen 7:00 und 7:30 Uhr. Das OLG Oldenburg verurteilte die Gemeinde zur Leistung von Schadensersatz und Schmerzensgeld, sprach der Fahrradfahrerin jedoch ein Mitverschulden zu. Das OLG Oldenburg wies darauf hin, dass Radfahrer auf Radwegen – anders als Fußgänger auf Gehwegen und Fußgängerüberwegen – keinen generellen Anspruch auf das Bestreuen des ihnen zur Verfügung stehenden Verkehrsraums haben. Eine Streupflicht besteht nur dann, wenn  es sich um eine “gefährliche Fahrbahnstelle” handelt. Das OLG Oldenburg entschied weiter, dass auch die Gemeindesatzung die Gemeinde nicht von ihrer allgemeinen Verkehrssicherungspflicht entbinde und die Streupflicht auch bereits vor 7:30 Uhr bestand. Dies sei darauf zurück zu führen, dass Schulbeginn in der Gemeinde bereits um 7:30 Uhr sei und auch die ortsansässigen Discounter bereits um 7:00 Uhr öffnen. Die Gemeinde musste daher damit rechnen, dass Bürger auch bereits vor 7:30 Uhr die Radwege mit dem Fahrrad befahren. Nach dem Urteil des OLG Oldenburg hat die Gemeinde daher im Winter auch dann eine Streupflicht vor einer in der Satzung festgelegten Urzeit, sofern es sich bei der zu streuenden Straße um eine “gefährliche Fahrbahnstelle” handelt.
(OLG Oldenburg, Urteil vom 30.04.2010, Az.: 6 U 30/10)

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