Anerkennung eines EU-Führerscheins in der Bundesrepublik Deutschland

Mit seinem Urteil vom 26.04.2012 hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass ein in der Tschechischen Republik erworbener EU-Führerschein in der Bundesrepublik Deutschland auch dann anerkannt werden muss, wenn in der Bundesrepublik Deuschland eine MPU gefordert wurde. Dem Kläger des Ausgangsverfahresn war zunächst der Führerschein wegen Trunkenheit im Verkehr entzogen worden und es wurde eine Sperrfrist von fünfzehn Monaten verhängt. Nach Ablauf der Sperrfrist hatte der Kläger einen EU-Führerschein in der Tschechischen Republik erworben. Insbesondere vor dem Hintergrund des Aspekts zur Bekämpfung des Führerscheintourismus wurde die Sache dem EuGH vorgelegt. Der EuGH hat ausgeurteilt, dass die deutschen Behörden nicht befugt sind, die Anerkennung der Gültigkeit des tschechischen Führerscheins abzulehnen, denn dieser Führerschein wurde von den tschechischen Behörden nach Ablauf der für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis geltenden Sperrfrist ausgestellt.

Der EuGH hat jedoch auch ausgeführt, dass die deutschen Gerichte und Behörden auf der bekannten Grundlage durchaus berechtigt sind zu prüfen, ob der Führerscheininhaber seinen ordentlichen Wohnsitz auch in dem Ausstellerland hatte. Die Voraussetzungen einer solchen Prüfung hat der EuGH in seinen vorangegangenen Urteilen bereits hinlänglich festgelegt.

Zwischenzeitlich gibt es mehr als zehn Verfahren vor dem EuGH, die sich mit der Anerkennung von in anderen Mitgliedstaaten erteilten Führerscheinen befasst.

Problematisch und bedeutsam wird diese Rechtsprechung für den Inhaber eines solchen Führerscheins dann, wenn die Polizei ein Ermittlungsverfahren wegen Fahren ohne Füherschein einleitet. Häufig wird zeitgleich ein Verfahren gegen den Halter wegen Anordnen oder Zulassen des Führens eines Kraftfahrzeugs ohne Fahrerlaubnis eingeleitet, sofern Fahrer und Halter nicht identisch sind. Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Verteidigung hiergegen sind jedoch ausreichend vorhanden.

 

 

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Abschleppen eines teilweise auf einem Radweg abgestellten Fahrzeugs

Ein Fahrzeug war abgeschleppt worden, weil es teilweise auf einem Radweg abgestellt war. Davor stand eine Reihe weiterer Fahrzeuge, die noch weiter in den Radweg hineinragten als das abgeschleppte Fahrzeug. Der Fahrer des Fahrzeugs wandte sich erfolglos gegen die festgesetzten Abschleppgebühren. Nach Auffassung des OVG Münster ist ein Abschleppen verbotswidrig abgestellter Fahrzeuge im Fall der Behinderung von anderen Verkehrsteilnehmern regelmäßig geboten. Entsprechendes gilt für das nicht nur unerhebliche Hineinragen eines Fahrzeugs in einen Radweg. Radfahrer müssen grundsätzlich nicht damit rechnen, dass der Radweg auch nur teilweise blockiert ist. Dieses gilt umso mehr, wenn in beiden Fahrtrichtungen eine Benutzungspflicht angeordnet ist. Zwar sei ein Abschleppen parkender Fahrzeuge nicht bereits bei jedem minimalen Hineinragen in einen Radweg gerechtfertigt, anders verhält es sich jedoch, wenn Gefahren durch das Abschleppen beseitigt werden, die einen Radweg mehr als nur unwesentlich einengen. Im konkreten Fall stand die Vorderseite des Fahrzeugs mehr als zur Hälfte auf dem Radweg, so dass  für den Radverkehr nur noch etwa 2/3 der Gesamtbreite des für den Gegenverkehr ausgebauten Radweges verblieb. Das OVG Münster kam zu dem Schluss, dass das Fahrzeug jedenfalls für den Radverkehr in Gegenrichtung ein deutliches Hindernis darstellte und damit eine konkrete Gefährdung bot.
(Beschluss des OVG Münster vom 15.04.2011, Az.: 5 A 954/10)

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Nötigung durch Fahrradfahrer

Eine Fahrradfahrerin nutzte die Gelegenheit an einem in gleicher Richtung fahrenden PKW vorbeizufahren, als dieser vor einer roten Ampel hinter anderen Fahrzeugen anhalten musste. Als die Ampel auf Grün umschaltete und die vor dem PKW stehenden Fahrzeuge losgefahren waren, beschleunigte die Radfahrerin ihr Fahrrad und setzte sich in einem Abstand von etwa 5 m vor den PKW. Daraufhin bremste die Radfahrerin ohne Grund abrupt ab. Die PKW-Fahrerin war daraufhin gezwungen, eine Vollbremsung durchzuführen. Anschließend fuhr die Radfahrerin über einen Zeitraum von etwa einer Minute direkt vor dem PKW her, wobei sie extrem langsam fuhr und dabei ein Überholen vereitelte. Das OLG Koblenz kommt zu dem Ergebnis, dass der Tatbestand der Nötigung i.S.v. § 240 StGB vorliegend nicht erfüllt sei. Ein Radfahrer, der sich an einer roten Ampel vor einen dort haltenden PKW stellt und nach dem Umschalten auf Grün verhindert, dass der PKW überholen kann indem er etwa eine Minute absichtlich extrem langsam vor diesem PKW herfährt begeht wegen der nur kurzen Dauer und der geringen Intensität der Behinderung sowie der fehlenden Verwerflichkeit keine tatbestandliche Nötigung. Die festgestellte Behinderungsdauer von etwa einer Minute kann nach Auffassung des OLG Koblenz nur als kurzfristige, die Geringfügigkeitsschwelle nicht überschreitende und daher i.S.d. § 240 Abs. 1 StGB nicht tatbestandsmäßige Behinderung gewertet werden. Bei einer Abwägung sind die Intensität, mit der der Täter auf die Entschlussfreiheit eines anderen einwirkt, sowie die damit verbundene Gefährdung eines anderen Verkehrsteilnehmers zu beachten. Ungeachtet dessen erfüllt ein solches Verhalten jedoch grundsätzlich den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 1 Abs. 2 StVG. (Urteil des OLG Koblenz vom 11.06.2001, Az.: 2 Ss 44/01)

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Haftung der Gemeinde für Sturz auf einem nicht gestreutem Radweg

Eine Fahrradfahrerin war im Winter früh morgens auf einem zentralen Verkehrsknotenpunkt auf nicht gestreutem Klinkerpflaster des Fahrradweges gestürzt, als sie ihren Sohn zur Schule begleitete. Dabei zog sie sich nicht unerhebliche Verletzungen zu. In der zweiten Nachthältfe hatte sich Glatteis gebildet, da die Temperaturen plötzlich auf Minusgrade abgesunken waren. Die Radfahrerin verlangte von der Gemeinde Schadensersatz und Schmerzensgeld. Die Gemeinde berief sich im Prozess darauf, dass sie entsprechend ihrer Satzung erst ab 7:30 Uhr zum Streuen der Straßen verpflichtet sei. Der Unfall ereignete sich jedoch zwischen 7:00 und 7:30 Uhr. Das OLG Oldenburg verurteilte die Gemeinde zur Leistung von Schadensersatz und Schmerzensgeld, sprach der Fahrradfahrerin jedoch ein Mitverschulden zu. Das OLG Oldenburg wies darauf hin, dass Radfahrer auf Radwegen – anders als Fußgänger auf Gehwegen und Fußgängerüberwegen – keinen generellen Anspruch auf das Bestreuen des ihnen zur Verfügung stehenden Verkehrsraums haben. Eine Streupflicht besteht nur dann, wenn  es sich um eine “gefährliche Fahrbahnstelle” handelt. Das OLG Oldenburg entschied weiter, dass auch die Gemeindesatzung die Gemeinde nicht von ihrer allgemeinen Verkehrssicherungspflicht entbinde und die Streupflicht auch bereits vor 7:30 Uhr bestand. Dies sei darauf zurück zu führen, dass Schulbeginn in der Gemeinde bereits um 7:30 Uhr sei und auch die ortsansässigen Discounter bereits um 7:00 Uhr öffnen. Die Gemeinde musste daher damit rechnen, dass Bürger auch bereits vor 7:30 Uhr die Radwege mit dem Fahrrad befahren. Nach dem Urteil des OLG Oldenburg hat die Gemeinde daher im Winter auch dann eine Streupflicht vor einer in der Satzung festgelegten Urzeit, sofern es sich bei der zu streuenden Straße um eine “gefährliche Fahrbahnstelle” handelt.
(OLG Oldenburg, Urteil vom 30.04.2010, Az.: 6 U 30/10)

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Tatverdacht beim unerlaubten Entfernen vom Unfallort

Ein Autoffahrer übersah an einer Parkplatzeinmündung eine den Gehweg verbotswidrig befahrende 15-jährige Radfahrerin. Der Autofahrer – ein ausgebildeter Ersthelfer und Rettungssanitäter – stieg aus und erkundigte sich nach dem Zustand der Radfahrerin. Nachdem diese mitgeteilt hatte, dass nichts passiert und sie unverletzt sei, entfernten sich sowohl der Autofahrer, als auch die 15-jahrige Radfahrerin. Im Folgenden klagte die Radfahrerin über Schmerzen am Bein und ein Ermittlungsverfahren wegen unerlaubten Entfernen vom Unfallort wurde eingeleitet. Sowohl das Amtsgericht Paderborn, als auch das Landgericht Paderborn sahen hierin einen nicht unerheblichen Tatverdacht sowohl im Hinblick auf den Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort, als auch im Hinblick auf die fahrlässige Körperverletzung.

Anmerkung:
Was soll ein Autofahrer in einer solchen Situation noch tun, um seiner Pflicht der Feststellung seiner Personalien nachzukommen, wenn das (vermeindliche) Unfallopfer auf die Feststellung der Personalien verzichtet? Die Polizei wird in einer Vielzahl dieser Fälle den Unfall gar nicht erst aufnehmen, zumal es zu keinem Schaden gekommen ist. Ferner erscheint es doch sehr fragwürdig, wenn die Gerichte  die Einsichts- und Erklärungsfähigkeit einer 15-jährigen Gymnasiastin in Frage stellen.

 

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Kein Mitverschulden eines Rennradfahrers für die bei einem Unfall mit einem KfZ erlittenen Verletzungen wegen Nichttragens eines Fahrradhelms (Urt. d. LG Kolblenz vom 04.10.2010)

Ein Rennradfahrer kollidierte mit einem ihm aus der Gegenrichtung entgegenkommenden VW-Bus, als dessen Fahrer auf Grund nicht angepasster Geschwindigkeit die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor. Der Rennradfahrer prallte mit seinem Kopf gegen die Windschutzscheibe des entgegenkommenden VW-Bus. Der Unfall war für den Rennradfahrer unvermeidbar. Zum Unfallzeitpunkt trug der ambitionierte Rennradfahrer keinen Fahrradhelm, sondern lediglich eine Wollmütze. Das Landgericht Koblenz vertritt die Auffassung, dass dem Rennradfahrer kein Mitverschulden trifft, indem er auf das Tragen eines Fahrradhelms verzichtet hat. Die Annahme eines Mitverschuldensvorwurfs erfordert die Feststellung, dass sich der Geschädigte nicht verkehrsrichtig verhalten hat. Die für eine Mithaftung nötige Voraussetzung, wonach das Tragen eines Fahrradhelms zur Unfallzeit nach dem allgemeinen Verkehrsbewusstsein zum eigenen Schutz erforderlich gewesen sein muss, ist vorliegend nicht erfüllt.

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Fahrradfahren darf bei verweigerter MPU nicht verboten werden (Urt. d. OVG Koblenz vom 08.06.2011)

Die Straßenverkehrsbehörde darf einem Verkehrsteilnehmer, der lediglich als Kraftfahrer alkoholauffällig wurde nicht das Führen eines Fahrrads verbieten, weil er kein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) vorgelegt hat. Der Antragsteller stellte einen Antrag auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis, welche ihm entzogen wurde, weil er ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss mit 1,1 Promille Blutalkoholkonzentration geführt hatte. Daraufhin wurde der Antragsteller von der Straßenverkehrsbehörde aufgefordert eine MPU zu der Frage vorzulegen, ob er Alkoholgenuss und das Führen nicht nur eines Kraftfahrzeuges, sondern auch eines Fahrrades trennen kann. Der Antragsteller verweigerte die Vorlage eines solchen Gutachtens, so dass die Straßenverkehrsbehörde die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis ablehnte und das Führen eines Fahrrades verbot. Das OVG Koblenz gab der Beschwerde des Antragstellers statt. Die Fahrerlaubnisbehörde dürfe bei Zweifeln an der Fahreignung zwar die Beibringung einer MPU anordnen und von der Ungeeignetheit eines Verkehrsteilnehmers zum Führen eines Fahrzeuges ausgehen, falls dieser sich weigere, ein solches Gutachten vorzulegen. Vorliegend bestünden jedoch keine Zweifel beim Antragsteller hinsichtlich des Vermögens, zwischen Alkoholkonsum und dem Führen eines Fahrrads zu trennen. Zusätzliche sonstige Anhaltspunkte für eine naheliegende und konkrete Gefährdung der Verkehrssicherheit durch den Antragsteller beim Fahrradfahren lägen nicht vor, insbesondere sei dieser bisher nicht beim Fahrradfahren auffällig geworden. Die Behörde hatte ihre Vermutung alleine daraus geschlossen, dass der Antragsteller einmal beim Führen eines Kraftfahrzeugs unter Alkoholeinfluss aufgefallen sei. Die Fahrerlaubnisbehörde hätte demnach keine MPU für das Radfahren verlangen dürfen.

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Der für die Straße zuständige Bauträger haftet nicht bei jedem Verkehrsunfall aufgrund eines Schlaglochs in der Straße (Urt. d. OLG Schleswig vom 30.06.2011)

Bei erkennbar deutlich schlechten Straßenverhältnissen muss sich der Verkehrsteilnehmer auf die Gegebenheiten einstellen und mit entsprechenden Gefahren rechnen. Ein Motorrollerfahrer befuhr eine ländliche, ca. 4 m breite Kreisstraße ohne Fahrbahnmarkierung und mit geringem Verkehrsaufkommen. In einer leichten Rechtskurve stürzte der Fahrer in der Nähe eines Schlaglochs am äußersten Fahrbahnrand. Er erlitt dabei u.a. einen Schlüsselbeinbruch und mehrere Rippenbrüche. Nach Angaben des Fahrers war ihm ein PKW entgegen gekommen, so dass er auf Grund der Enge der Straße bis ganz an den rechten Fahrbahnrand ausgewichen sei. Dort sei er in das etwa 15 cm tiefes Loch gekommen, ins Schlingern geraten und gestürzt. Das OLG Schleswig hat die Schadensersatzansprüche und Schmerzensgeldansprüche gegen den Kreis Bad Segeberg zurück gewiesen. Der Umfang der Verkehrssicherungspflichten betreffend die Unterhaltung einer Straße hänge neben der Verkehrsbedeutung der Straße entscheidend davon ab, welche berechtigten Sicherheitserwartungen der Straßenverkehrsteilnehmer in der konkreten Situation haben durfte. Das OLG Schleswig führte aus, dass durchgängig teils großflächige Flickstellen im Teer erkennbar gewesen sein wären und sich darüber hinaus deutliche Unregelmäßigkeiten im Übergang der Fahrbahn zur unbefestigten Bankette befänden. Insgesamt befindet sich die Straße in einem Zustand, der Führer von Zweirädern zu besonderer Vorsicht ermahne. Dies ergibt sich daraus, dass diese bekanntlich bei wechselnden Straßenbelägen erheblich sturzgefährdet seien. Der Fahrer sei gehalten gewesen, sich entsprechend auf die sich ihm darbietenden Verhältnisse der Straße einzustellen und hätte dabei mit Gefahren rechnen müssen.

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